Ein Lob dem Mittagsschlaf

Ostrich Pillow - Schlaftaucherglocke

Sie haben es alle getan: Hannah Arendt, van Gogh, Marx, Christa Wolf, Rosa Luxemburg, Rose Ausländer, meine Oma....

Denker und Künstler brauchen ihn. Nicht so sehr um dem Körper eine Pause zu gönnen, sondern vielmehr dem Geist. Manche bevorzugen einen Minutenschlaf, auf Neu-Deutsch Power-Napping. Andere legen sich gar nicht erst hin, wenn sie nicht mindestens zwei Stunden Zeit haben. In manchen Ländern ist der Mittagsschlaf, die Siesta, nicht wegzudenken.

Für mich ist es eine Zeit, in der meine Gedanken auf Reisen gehen und zwar steuerlos. Ich kann loslassen, laufen lassen. Wissenschaftler erforschen, was dann im Gehirn passiert. Die Gedanken wandern aus den "normalen" viel gebrauchten Regionen in die sonst völlig Ungenutzten. Es passiert, was wir Kreativität nennen. Das Gehirn stellt Verknüpfungen mit Teilen der Erinnerung und der Phantasie her. Es stößt dabei in Gebiete des Unterbewussten vor, die man wach und bewusst nicht erreichen könnte. Es sind im Übrigen die gleichen Regionen, die auch bei Meditation aktiv werden. Manchmal erwacht man mit einer Eingebung, einer neuen Idee, einer Problemlösung auf die man bisher einfach nicht kam.

Schaut man im Netz, trifft man auf Aussagen wie: "Mittagsschlaf kann tödlich sein" oder "Mittagsschlaf gesund? Auf die Dauer kommt es an." oder "Mittagsschlaf bei Erwachsenen - Wie abgewöhnen?"
Gören Hajak, Schlafforscher im Klinikum Michelsberg in Bamberg, sagte in einem Spiegelinterview: "In Asien wurde der Mittagsschlaf immer praktiziert, aber auch dort findet man ihn immer weniger. China zum Beispiel ganz systematisch, es gibt Bilder, wie ganze Belegschaften von Betrieben die Köpfe auf den Tisch gelegt haben und schlafen, hunderte Menschen, neben und hintereinander - aber das ist alles vorbei. Auch diese Gesellschaften gehen in eine Rund-um-die-Uhr-Leistungsgesellschaft über, mit immer weniger Schlaf. Das heißt, die ganze Welt wird bald unausgeschlafen sein, mit all den negativen Konsequenzen: Schlechte Laune, Reizbarkeit, Depressionen, Unfälle, Produktionsfehler."

Es scheint also ein Problem der Leistungsgesellschaft zu sein. Wer mittags schläft gilt als faul. Diese Einstellung hält sich hartnäckig. Dabei sprechen Wissenschaftler schon lange von zwei Schlafphasen. Nachts natürlich, aber auch am Tag, um die Mittagszeit.
Inzwischen, das ist mein ganz persönliches Gefühl, verändert sich bei einigen Arbeitgebern wieder etwas. Mittagsschlaf wird wieder salonfähig. Besonders bei jungen, hippen Unternehmern, die verschiedene Arbeitsmodelle ausprobieren, findet der Mittagschlaf wieder Anhänger. Füße oder Kopf für 20 Minuten auf den Schreibtisch, Augen zu, abschalten. Hinterher ist man frisch und wieder leistungsfähig.

Vom langen Schlaf wird abgeraten. Angeblich sei er gesundheitsgefährdend. Ich glaube aber, er passt einfach nicht in unser nordeuropäisches System. Fakt ist, dass man nach einem zweistündigen Mittagschlaf länger braucht, um wieder voll leistungsfähig zu sein. Das liegt an der Tiefschlafphase, in die man fällt. Insgesamt kommt es auf den gesamten Tagesrhythmus an. Dort wo die Temperaturen erst in der Nacht in die erträglichen Bereiche sinken und man gegen 22:30 Uhr zum Essen ausgeht, gleicht ein längerer Mittagschlaf die kürzere Nachtschlafzeit aus. In diesen Ländern wird am Nachmittag, der heißesten Zeit des Tages, ausgiebig geschlafen.
Erzählt mal einem alten Kreter etwas von einem Power-Napping. Er wird müde lächeln und sich für zwei Stunden zur Siesta zurückziehen. Habt ihr schon mal was davon gehört, dass die Kreter eine besonders kurze Lebenszeit haben, weil sie tagsüber so viel schlafen, so behauptet in einem Beitrag im Focus? Ich jedenfalls nicht.

Damit ihr mich nicht falsch versteht, ich habe nichts gegen so ein kurzes Schläfchen und praktiziere es selbst häufig. Wenn ich aber die Möglichkeit habe, lege ich mich gern für zwei Stunden aufs Ohr und hoffe, dass ich so alt werde wie die Alten auf Kreta.

Kommentare

  1. Liebe Bärbel. Sehr gut. Vielen Dank für den interessanten Artikel!

    Ich hab ihn in mein Online Magazin aufgenommen und kommentiert. Hier: https://www.kerstin-frei.eu/2018/03/14/das-beste-aus-online-magazin-no-15/ und hier: https://www.facebook.com/KerstinFrei.Talks.Impulse/

    Hier meine Besprechung zitiert:

    Bärbel Thürer beschreibt in ihrem Blog "Meer und Mehr" die wohltuende Wirkung von Schlaf, besonders vom Mittagsschlaf.

    Ich kann ihr nur beipflichten. Seitdem ich mir meine Zeit öfters frei einteilen kann als früher, versuche ich ohne schlechtes Gewissen, tagsüber zu schlafen. Meine Schlafzeit ist nicht nach dem Mittagessen. Da bin ich fit, weil mich das Essen mit Energie aufgetankt hat. Ich kann am besten am Vormittag und am späten Nachmittag schlafen. Allerdings 2h wäre mir zu lang. Da würde ich gar nicht mehr richtig in Fahrt kommen bis zum Nachtschlaf hihi.

    Hier ein Absatz aus Bärbels Artikel, der mich lächeln ließ:

    "Erzählt mal einem alten Kreter etwas von einem Power-Napping. Er wird müde lächeln und sich für zwei Stunden zur Siesta zurückziehen. Habt ihr schon mal was davon gehört, dass die Kreter eine besonders kurze Lebenszeit haben, weil sie tagsüber soviel schlafen, so behauptet in einem Beitrag im Focus? Ich jedenfalls nicht."

    Wann ist denn Deine beste "Mittagsschlafzeit" und kannst Du es Dir so einteilen, Dich tagsüber auszuruhen?

    Auf bald und auf das Leben Deine Kerstin Frei von Lebenskunst in der Lebensmitte

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